Freunde sind wichtig. Darin sind sich die meisten Menschen einig. Je schwieriger das eigene Leben verläuft, desto wichtig werden sie. Denn Freunde sind häufig diejenigen, die neben der Familie da sind, wenn Unterstützung notwendig wird.
Mir ist es sehr lange schwer gefallen, Vertrauen aufzubauen und Menschen an meinem Leben teilhaben zu lassen.
Noch viel schwerer ist es mir gefallen, um Hilfe zu bitten. Selbst eine ganz einfache Bitte waren schon eine echte Herausforderung und lange war ich davon überzeugt, dass ich auch ohne Freunde zurecht komme.
Mit zunehmendem Alter meiner behinderten Tochter hat allerdings meine Energie und Kraft nachgelassen. Immer wieder habe ich ein Gefühl der Ohnmacht empfunden. Dabei waren es weniger die Fragen nach dem „Warum“, als die Frage nach dem „Wie“. Wie sollte das alles zu schaffen sein? Eine behinderte Tochter, die eine chromosomale Veränderung hat, die sehr selten und daher nahezu unerforscht ist. Dazu ein Sohn mit einer auditiven Wahrnehmungsstörun und dazwischen ein kleines gesundes Mädchen, das auch nicht zu kurz kommen soll.
Und dann sind Freunde Gold wert
Genau in solchen Situationen, denen man ohnmächtig gegenübersteht, sind Freunde absolut Gold wert. Denn genau hier setzen die Menschen, die einem nahe stehen an, um zu helfen. Ob es dabei um die Betreuung der Geschwisterkinder geht, wenn das behinderte Kind im Krankenhaus oder bei einem Arzttermin ist, oder ob die Bügelwäsche weggebügelt wird ist dabei völlig egal. In allen Fällen ist eine Unterstützung genau das, was man in solchen Momenten braucht.
Ich habe lange versucht, alleine zurecht zu kommen. Bis ich irgendwann absolut keine Kraft mehr hatte. Und plötzlich waren überall Freunde, die uns unter die Arme gegriffen haben. Gerade in solchen Zeiten zeigt sich, wer nur plump daherredet und wer seine Hilfsangebote ernst meint. Ich halte es für unheimlich wichtig, diese Hilfsangebote auch anzunehmen, denn sie entlasten nicht nur körperlich und zeitlich, sondern auch psychisch.
Als unsere Tochter in der Klinik war, kam neben dem normalen Alltagsstress auch noch ein Umbau hinzu. Mein Mann war mit in der Klinik, ich war also ziemlich auf mich gestellt. Und genau da waren dann Freunde da, die mir mit dem Umbau geholfen haben oder sich auch mal meinem Berg Bügelwäsche erbarmt haben. Diese Hilfe war zeitlich natürlich echt klasse, aber auch meine Psyche konnte sich so immer wieder gut erholen, weil das Haus nicht vollständig im Chaos versunken ist.
Daran mache ich gute Freundschaften fest
Früher dachte ich, dass eine gute Freundschaft davon abhängig ist, wie viel Zeit man miteinander verbringt. Als Teenie war ich mit meinen engsten Freundinnen den ganzen Tag zusammen. Doch wenn man Familie hat, wird das Zeitkontingent automatisch weniger. Nicht jede meiner Freundschaften hat das überlebt, weil ich einfach nicht mehr die Zeit und die Energie habe, mich ständig mit anderen Menschen zu treffen oder stundenlang am Telefon zu hängen. Aber die Freunde, die so ticken wie ich, sehen dass genauso und haben totales Verständnis dafür, dass ich mit meiner Familie gut beschäftigt bin und Freundschaften nicht schlecht sind, nur weil man nicht ständig im Dauerkontakt steht.
Woran mache ich dann eine gute Freundschaft fest?
- Meine Freunde sind für mich da, wenn ich sie brauche. Egal, wie lange wir uns nicht mehr gesehen haben.
- Sie haben Verständnis dafür, dass ich stark eingebunden bin und wir uns oft nur kurz mal hören oder nur sehr selten sehen können.
- Wenn wir uns sehen können und Zeit füreinander haben, ist die Zeit extrem wertvoll. Sie ist begleitet von guten Gesprächen, gegenseitiger Ermutigung und gibt mir mehr Energie zurück, als ich einsetzen muss.
- Meine Freunde geben mir ehrlich gemeinten Rat und respektieren meine Entscheidungen. Auch dann, wenn ich mich anders entscheide, als sie es tun würden.
- u. v. m.
- Das sind nur einige wenige Punkte, an denen ich eine gute Freundschaft festmache.
Freunde sind genauso wichtig, wie Familie. Denn die Freunde geben da Halt, wo die Familie nicht mehr objektiv sein kann. Nachdem ich viele Jahre meines Lebens dachte, keine echten Freunde zu haben, hat sich gerade seit der Geburt meiner Tochter gezeigt, wo ich meine Freunde finde. Denn das sind die Menschen in meinem Leben, die heute mehr denn je für mich und meine Familie da sind.
Wo Freunde zu finden sind
Ich wünsche dir sehr, dass du Menschen in deinem Leben hast, die für dich so gute Freunde sind, dass sie mit dir durch jede schwere Zeit gehen und dir eine Stütze im Leben sind.
Wenn du solche Freunde nicht haben solltest, dann versuch nicht zwanghaft, jemanden zu finden. Echte Freunde kommen ganz automatisch in dein Leben.
Was du jedoch dafür tun kannst: Geh in die Offensive! Fang damit an, Menschen zu dir einzuladen, verabrede dich und dein(e) Kind(er) für den Spielplatz. Wenn du nicht weißt, wo du Gleichgesinnte finden kannst, dann schau mal in den Elterngruppen in deiner Stadt, melde dich bzw. euch für eine Sportgruppe an etc. Es gibt viele Möglichkeiten, Menschen kennenzulernen.
Und wenn du nirgendwo eine Gruppe findest, dann gründe selbst eine! Vielleicht ist es ja an der Zeit, eine Gruppe für Eltern mit behinderten/eingeschränkten Kindern zu starten?
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